2007/05 Staging

Samstag , der 05.05.2007   Zusammenfassung der letzen 2 WochenSeit mehr als 2 Wochen bin ich nun wieder zu Hause um mich von meinem 2ten Chemozyklus zu erholen. In dieser Zeit gönnte ich mir viel Schönes (Besuche von Verwanden, Ausgehen bei schönem Wetter, Kino und ein gemütliches Zuhause). Mein System zur Bekämpfung des Krebses hatte ich aber nicht aus den Augen verloren (strenge Gewichtskontrolle, das Einholen weiterer Informationen über meine Erkrankung im Internet, Austausch mit anderen Betroffenen, Spaziergänge etc.) – ich tat dies auch um für keinen Augenblick in ein „Verdrängungsloch“ zu fallen.Ich fühlte mich in dieser Zeit viel besser als nach meiner planlosen ersten Chemotherapie (in welcher ich so abmagerte und nur noch apathisch herumlag). Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass ich noch schwer mit einigen Symptomen zu kämpfen hatte. Meine eitrige Halsentzündung begleitete mich noch einige Tage, juckende Hautausschläge (besonders am Kopf), ständig trockener Mund und ein eigenartiges Schwächegefühl in der Muskulatur meiner Beine. Ich fühlte mich wie eine ausgepresste Zitrone – aber mein besserer Allgemeinzustand durch meine „Chemo mit System“ ermöglichte mir, diese Symptome wesentlich besser wegzustecken.In den schwierigsten Zeiten kurz nach den Chemotherapien begleitete und umsorgte mich Ria. Es war auch ihr Verdienst, dass ich wieder auf die Beine kommen konnte. Danke Ria!Sonntag , der 06.05.2007   Bodybuilding!In den letzten Tagen plante ich eine Radtour auf meinem Rennrad zu versuchen, aber das Wetter spielte nicht mit. Ich wollte keinen neuen Infekt riskieren. Mein jedoch Körper verlangte nach Bewegung und so fiel mein Blick auf meine Hantelscheiben. Vor meiner Diagnose war ein mäßiges Hanteltraining immer Teil meines Wohlfühl- und Fitnessprogramms. Jetzt hatte ich einen Trainingsrückstand von fast einem Vierteljahr und bin schwer chemotherapiert – würde es mir gelingen, mit den Hanteln etwas anzufangen? Ich ging einfach daran und war erstaunt – es klappte! Zwar hob ich nur etwa 70 % meiner früheren Gewichte (zb. tiefe Kniebeugen: früher 2 Sätze à 16 Wiederholungen mit 60 kg auf dem Rücken, so gelangen mir immerhin jetzt wieder 2 Sätze à 14 Wiederholungen mit 40 kg). Auch alle anderen Übungen gelangen fast wie früher. Wahnsinn! Jetzt weiß ich, dass (fast) alles geht – am Wochenende werde ich Schwimmen gehen und wenn die Zeit noch reicht, werden mir auch noch ein oder 2 Radtouren bis zum nächsten Krankenhausaufenthalt gelingen.Montag, der 07.05.2007   Die Zeit läuft immer schneller …Toll! Ich wachte mit einem kleinen Muskelkater heute auf und begann mich schon fast „wie früher, in guten Zeiten“ zu fühlen. Ein Hauch von Gesundheit durchströmte meinen ausgepressten Körper. Mir geht es noch besser heute – der Sport war gut!Ein Blick auf meinen Terminkalender trübte aber wieder etwas meine Stimmung. Ab morgen (8.05.) muss ich mich zum Restaging für 3 Tage wieder ins Krankenhaus begeben. Dort wird untersucht, wie weit die Chemotherapie den Tumor verkleinern konnte und wie weiter zu verfahren ist. Da (lt. Aussage meines Arztes von der Onkologie) zwischen den Chemotherapien nicht mehr als 2-3 Wochen vergehen sollten (wohl weil dann der Krebs wieder wächst) ahne ich, dass mir dramatische Tage bevorstehen. Es wird die Entscheidung fallen, wann die große Operation gemacht werden soll – und dabei habe ich noch so viel zu erledigen (Testament, Patientenverfügung, DVD für meine kleine Tochter uva. mehr). Was solls … ich muß da durch!!!Dienstag, der 08.05.2007   Untersuchungen – Kernspintomographie [MRT] KopfAufnahme im Krankenhaus um 11 Uhr. Meine Untersuchungen für diese Woche waren auf Abruf veranlasst. Dies bedeutete stundenlang im Krankenhaus zu warten, bis ich zu der jeweiligen Untersuchung aufgerufen wurde.Mein Sehvermögen hatte seit der Chemotherapie stark nachgelassen. Merkwürdigerweise war es wieder in der zweiten Chemotherapie etwas besser geworden, was mich und die Ärtze veranlasste, sicherheitshalber auch den Kopf untersuchen zu lassen. Heute wurde es aufgrund eines technischen Defektes 18:30 Uhr, bis ich endlich den Kopf in das Gerät stecken durfte. Die ausführende Assistentin war sehr nett. Dazu bekam ich Kontrastmittel in die Vene und Stöpsel in die Ohren. Dann ging es mit ratternden, summenden, klopfenden Geräuschen los: Ich kam mir vor, als befände ich mich in einem Multiplex Kino ohne Leinwand (Film: Star Wars). Ein beeindruckendes Erlebnis, welches aber schon nach 20 Minuten sein Ende hatte.Mittwoch, der 09.05.2007   Untersuchungen – Kernspintomographie [MRT] Thorax und Spiegelung von Speiseröhre und Magen (Gastroskopie)Heute gab es wieder „Star Wars“ in der Röhre. Da der Thorax dran war, wurde ich etwas tiefer hineingeschoben, was ca. eine Stunde dauerte. „Einatmen und … Aaaaaauuuusatmen“, die Assistentin hatte eine beruhigende Stimme. Ich versank in Gedanken an mein früheres Leben …Die vorhergehende Magenspiegelung war schon Routine für mich, ich freute mich wieder auf meinen Dämmerschlaf. Ein weiterer schöner Moment zum Abschalten. Dumm, dass ich heute wegen der Gastroskopie nüchtern antreten mußte. Den halben Tag kein Essen, das konnte ich am Abend nicht mehr reinholen – somit ein verlorener Tag für meinen Diätplan.Donnerstag, der 10.05.2007   Untersuchungen – Computertomographie (CT) und Magenspiegelung mittels Ultraschall (Endosonographie)Schock! Der leitende Stationsarzt eröffnete mir, dass er eine gute und eine schlechte Nachricht habe. Die gute Nachricht: die Chemotherapie habe „fulminant“ angesprochen, von dem ursprünglich großen Primärtumor wäre kaum noch etwas zu sehen. Die schlechte: die MRT Untersuchung habe nebenbei ergeben, dass ein Tumor in meinem Darm säße. Eine Darmspiegelung wurde für den nächsten Tag vereinbart. Die folgende Endosonographie schenkte mir nochmal einen Dämmerschlaf, etwas später wurde eine Computertomographie gemacht.Totaler Schock! Am Abend schaute ich im Internet nach, welche Auswirkungen ein weiter Tumor auf meine Heilungschancen haben würde. Zuerst las ich „Beruhigendes“: Für sich alleine betrachtet habe ein Darmkrebs allgemein gute Prognosen. Also ok dachte ich, dann halt ein Schnittchen mehr im Bauch – darauf kommt es dann auch nicht mehr an. Als ich aber die ersten Informationen darüber fand, welche Bedeutung für die Prognose ein weiterer Tumor in Verbindung mit meinem Speiseröhrenkrebs hat, wurde mir übel. Meine statistische Überlebenchance würde damit von 20 % auf unter 5 % sinken! Sollte ich mir mit einer derart schlechten Prognose noch diese schwerwiegende Operation zumuten, welche mir die letzten Monate meines kurzen restlichen Lebens versaut?Das eklige, fast schleimige Zeug (3 liter), welches ich nun bis in die Nacht für die am folgenden Tag anstehende Darmspiegelung runterwürgen mußte, gab meinen seelischen Unwohlsein dann noch den körperlichen Unterbau. Mir wurde übel bis zum Erbrechen – aber was solls, das Zeug musste ja runter. Rechtzeitig zum Tiefschlaf machte ich mir noch (3 Uhr nachts) in die Hose, bevor ich meine Toilette erreichen konnte. Was für ein Leben …Freitag, der 11.05.2007   Untersuchungen – Darmspiegelung (Koloskopie)Vor der Darmspiegelung hatte ich ein Gespräch mit meinem Führungsarzt. Er ist sehr fähig und versteht es wie kein anderer Arzt, mich zu unterstützen und mir Mut zu machen. Dass ausgerechnet im Darm ein bösartiger Tumor zu finden sei, könne er sich nicht vorstellen. Vieles aus seiner bisherigen Erfahrung spräche dagegen (er sollte recht behalten!). Aber er könne mir ganz sicher sagen, dass die Chemotherapie hervorragend angesprochen hätte und ich nun damit in eine andere Patientenkategorie mit wesentlich besserer Langzeitprognose gekommen sei. Kurz darauf wurde ich im Bett zur Magenspiegelung gebracht. Wieder einmal ein Dämmerschlaf, wie schön! Danach beruhigten mich die Ärzte. Es sähe so aus, als wenn da nichts sei, aber die endgültige Gewißheit konnte nur die Untersuchung der Gewebeprobe ergeben, welche im Ergebnis erst nach dem Wochenende vorliegen würde.Am Nachmittag war ich dann wieder zu Hause und mein Blick auf die Waage zeigte mir 68,7 Kilo. Mir wurde klar, dass ich durch die ganzen Untersuchungen nicht wie geplant zunehmen konnte, weil ich an fast jedem Morgen dieser Untersuchungswoche nüchtern antreten musste. Ärgerlich, ich hatte immer noch nicht die von mir angestrebten 70 Kilo erreicht – aber was bedeutete das schon bei all den anderen positiven Ergebnissen!Wochenende, 11-12.05.2007   Alltag und das Warten auf den entgültigen BefundEin Wochenende der inneren Unruhe. Am Montag würde die Gewebeprobe entgültige Gewissheit bringen, ob ich einen Zweifrontenkrieg gegen einen Krebs in der Speiseröhre UND im Darm führen muss. Ein Befund würde den bisherigen Therapieplan von kurativ auf palliativ bringen. Mein leitender Arzt deutete dies an, für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Gewebsprobe sich als bösartig heraustellen würde. Eine vorzeitige Entscheidung über Leben oder Tod wäre damit schon gefallen – aber ich will doch um mein Leben kämpfen!Montag, der 13.05.2007   Erlösender Befund – Klärung der weiteren BehandlungDer Erlösende Anruf meines leitenden Arztes um 15 Uhr mittags. Kein zusätzlicher Darmkrebs! Puhhhhhh…… Gleichzeitig besprachen wir das weitere Vorgehen meiner Behandlung. Vier volle Chemozyklen sind für mich vorgesehen. Wir entschieden, noch einen dritten VOR der Operation zu machen, da der Erfolg einer Chemotherapie vor der Operation nachgewiesen größer ist, als derjenige nach einer Operation. Da ich mit der Chemotherapie jetzt gut klarkomme und auch noch etwas Zeit für meine Erledigungen brauche, fiel mir diese Entscheidung nicht schwer. Wir einigten uns auf den Beginn des nächsten Chemozyklusses auf den Tag nach meinem Geburtstag, dem 22. Mai.Montag bis Heute, 11-21.05.2007   Aufbau der körperlichen Kräfte für die OperationEssen, essen, essen bis zum Gehtnichtmehr! Ich wog nach der letzten Chemotherapie immerhin noch ca. 66 Kilo (im Gegensatz zur ersten Chemotherapie, welche mich auf 58 Kilo brachte). Jetzt ging es in den verbleibenden Tagen darum, das verlorene Gewicht und möglichst noch eine kleine Reserve wieder hereinzuholen um Substanz für die letzte Aufholjagt vor der großen Operation herüberzuretten. Das bedeutete, den Magen bis an die Grenze zu belasten. Wenn ich satt war, gab es nach meinen üppigen Mahlzeiten noch 3-5 Trinkbeutel Austronautenkost am Tag. Wenn man nichts Festes mehr hineinbekommt, dann eben Flüssiges! Mein arg geschundener Magen hatte wieder schwer zu arbeiten – abgesehen von den Chemotherapien, den Antibiotika und meiner Reflux Grunderkrankung. Jetzt am 21.Mai habe ich 71,2 Kilo netto! Das ist fast mein altes Gewicht aus gesunden Tagen.Ich enstspannte mich viel vor dem Fernseher mit DVD’s, machte Einkäufe und einen Ausflug zum Treffen der Kebskompassleute auf den Maintower. Leider verfehlten wir uns, aber die Aussicht entschädigte für alles. Mein geliebtes Hanteltraining machte ich noch 2 mal in der mir verbleibenden kurzen Zeit. Beim letzten Versuch am 20. Mai schaffte ich schon wieder meine Kniebeugen mit 50 Kilo auf dem Rücken – ich war wieder bei 80 % meiner ursprünglichen Kraft, auch wenn ich ein komisches Schwächegefühl in den Beinen noch nicht ganz wegtrainieren konnte. Gleich am selben Abend ging es nochmal ins Schwimmbad und ein wenig Sauna.Bei allen Untersuchungen und in meiner Erholungszeit zu Hause umsorgte und begleitete mich Sabine. Dass ich so aufbauen konnte war auch ihr Verdienst. Ich fühle mich nun prächtig und gut gerüstet, die nächste Chemorunde anzutreten.

21. Mai 2007