Arztgespräche nach Diagnose

Kurz nach meiner Diagnose im März 2007 legte mir mein Hausarzt nahe, dass ich mich mit Sterbehilfe auseinandersetzen sollte. Ich fühlte mich aber zu diesem Zeitpunkt gar nicht todkrank. Ich schaute ihn ungläubig an und er öffnete seinen Zeigefinger und Daumen auf die Größe meines diagnostizierten Tumors und schaute mich mit geweiteten Augen an und sagte: „Sie haben sooo einen großen Tumor im Hals, wir sollten unbedingt über dieses Thema sprechen!“ Er meinte es gut mit mir. Er wollte mir den Weg in die Schweiz ebnen, da es nicht so einfach ist mal in die Schweiz zu fahren und Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.

Da meine folgende Behandlung sehr erfolgreich und anstrengend war, nahmen wir uns keine Zeit mehr, uns damit intensiver zu beschäftigen.

Im Krankenhaus hatte ich noch einige weitere Gespräche mit den mich behandelnden Ärzten, welche mir unbedingt zu der schwerwiegenden Operation geraten hatten. Alle erklärten mir dass es ohne Operation keine Überlebenschance für mich geben würde. Es fiel mir sehr schwer, mich mit dem Gedanken an eine Operation anzufreunden da ich mich bereits darüber informiert hatte, dass nach diesem Eingriff mein Leben nicht mehr dasselbe sein würde.

Diese Gespräche waren sehr wertvoll, weil die Möglichkeiten im Mittelpunkt standen, welche ich noch hatte. Am meisten ermutigte mich mein Führungsarzt Dr. A., welcher mir (bei optimaler Behandlung) eine 80 %ige – zumindest aber 40-50 %ige Überlebenschance einräumte. Ich denke, er hatte wohl alle mich begünstigenden Umstände eingerechnet und so eine neue „persönliche Überlebensstatistik“ für mich erstellt, welche sicher jenseits der üblichen Prognosen lag, mir aber psychologisch sehr geholfen hatte.

Mein besonderer Dank gilt hier nochmals meinem mich hauptsächlich betreuenden Onkologen Dr. A, meinem Chirurgen Dr. Z., Dr. F., Dr. W. und Dr. St.!

Ich vergesse auch nie den Arzt, welcher bei meiner Magenspiegelung den Krebs diagnostizierte. Immer, wenn er mir während meiner Therapie im Krankenhaus begegnete, wich er mir aus und vermied es, mich anzuschauen. Er tat so, als ob er mich nicht mehr kannte, obwohl er nach der Diagnose noch ein Gespräch mit mir und meinem Vater hatte und meinen Vater darauf hinwies, dass er mit meinem Tod in absehbarer Zeit rechnen müsse. Es war das erste Mal, dass ich meinen Vater mit Tränen in den Augen sah. Daran erkannte ich, dass es eine ganz andere Qualität hat über den Tod zu reden als ihm direkt ins Auge zu schauen – sogar für einen Arzt!

19. März 2011